NEUE HEIMAT SÜDBAYERISCHE WOHNSTÄTTEN e.G.
„MITEINANDER – FÜREINANDER“
Der Name des oberbayerischen Städtchens Trostberg hatte für viele Menschen eine wahrhaft symbolische Bedeutung: Ein Ort, der vielleicht hinwegtrösten könnte über eine unselige Vergangenheit: über Hass, Krieg und Vertreibung. Denn auch in der unweit der Alpen gelegenen Gemeinde hatten sich – wie in unzähligen Städten Deutschlands- Flüchtlinge und Vertriebene niedergelassen, Menschen, die außer ihrer armseligen Kleidung kaum etwas anderes besaßen.
Sie hausten in hastig errichteten primitiven Holzbaracken und Lagern. Zusammengepfercht auf wenigen Quadratmetern lebten sie unter katastrophalen Umständen in der Hoffnung, irgendwann wieder ohne Existenzangst und in menschenwürdiger Umgebung leben zu können. Auch Emma und Adolf Schwarzer und ihre Tochter Helga hatten schwere Zeiten hinter sich. Fast ein Jahr lang befand sich Adolf Schwarzer in amerikanischer Gefangenschaft. Dann mussten er und seine Familie die Tschechei Hals über Kopf verlassen. Schwarzer hatte Glück und fand schon einen Monat nach der Flucht eine Qualifizierte Stelle als Chemiewerker in der Trostberg Süddeutschen Kaltstickstoffwerke AG (SKW). Nettoeinkommen 1946 : 215 DM im Monat.
Schwarzer war ein dynamischer und engagierter Mensch. In Trostberg beantragte er schon bald eine Genehmigung für ein Papier- und Bürobedarfgeschäft. Die Stadt hatte ihm ein Grundstück zur Verfügung gestellt, auf dem er einen Kiosk baute. Zugleich begann der damals 52jährige, Möglichkeiten zu erkunden, wie das bittere Wohnungselend für seine Familie und Schicksalsgenossen rasch beseitigt werden könnte.
Am 5. November 1949 gründeten er und 32 Mitstreiter mit unbändigen Idealismus und Tatkraft den „Verein zur Gründung einer Siedlerbaugenossenschaft für Heimatsuchende“. Unter ihnen befand sich als Gast Bürgermeister Stefan Pinsl, der zusagte, sich für den Erwerb von Baugrundstücken einzusetzen. Ein gutes Jahr später, am 17. Dezember 1950, unternahmen die Initiatoren unter der maßgeblichen Führung des 1. Vorsitzenden, Adolf Schwarzer, den zweiten wichtigen Schritt zum Aufbau einer Wohnungsgesellschaft auf genossenschaftlicher Basis:
Die „Landsiedlergenossenschaft Neue Heimat eGmbh“ wurde gegründet. Bereits im Vorfeld der Gründungszeit konnten sich die Beteiligten nach siebenmonatigen Verhandlungen das erste Grundstück von der Vermögensverwaltung der Gewerkschaften in Bayern sichern. Die Stadt Trostberg übernahm die Bezahlung der Immobilie in Höhe von über 35.000 DM. Dafür musste die Genossenschaft im Gegenzug 3 Prozent Zins und Tilgung pro Jahr für das Grundstück an die Stadt überweisen.
Der Bau von Wohnungen konnte erst im Juni 1951 begonnen werden. Grund: die Kapitaldecke reichte zunächst nicht.
In einem ersten Bauabschnitt entstanden 28 Wohnungen nach der Parole der Genossen „Miteinander, füreinander“ – Lohn für die dreijährige unermüdliche Aufbauarbeit. Neben der Stadtverwaltung und der Bayerischen Landessiedlung gewährte auch die SKW AG eine Hypothek in Höhe von 36.000 DM, denn viele Genossenschaftsmitglieder waren zugleich Mitarbeiter der Kaltstickstoff-Werke.
MIT VEREINTEN KRÄFTEN
Die Landsiedlergenossenschaft war ein kleines Unternehmen. Viele solcher Wohnungsbaugenossenschaften sind nach dem Krieg entstanden. Sie arbeiteten weitestgehend autonom ohne gegenseitige Verbindungen. So auch die Trostberger wie ebenfalls die nahe gelegene Bau- und Siedlergenossenschaft mit Sitz in Hart. Die Regierung von Bayern unterbreitete den Vorschlag, durch eine Fusion der beiden Wohnungsbaugenossenschaften die Voraussetzung für eine intensivere Bautätigkeit zu schaffen.
Der Gedanke fiel auf fruchtbaren Boden. Die Harter Genossenschaft brachte sich als übertragende Gesellschaft in die Landsiedlergenossenschaft ein. Das neue, erheblich stärkere Unternehmen gab sich nach dieser Verschmelzung im September 1951 den Namen „Siedlungs- und Wohnungsgenossenschaft Neue Heimat im Alztal eGmbH“. Etwa zeitgleich erlangte die Genossenschaft die Anerkennung als gemeinnütziges Unternehmen. Dieses Prädikat wurde im Jaunar1952 der Firmenbezeichnung vorangestellt. An der Spitze der Genossenschaft standen der Kaufmann Herbert Krafczyk und Vermessungsingenieur Karl Mücke.
Mit vereinten Kräften gingen die Genossen dazu über, schnell weitere Bauprojekte zu entwickeln. So wurden am Unternehmenssitz in der Friedrich-Ebert-Straße in Trostberg bereits im September die nächsten 48 Wohnungen in Angriff genommen. Außerdem begann das Unternehmen mit dem Bau von weiteren 20 Wohneinheiten in Unterneukirchen-Schroffen. Die Bauaktivitäten waren jedoch noch immer wie ein Wasser tropfen auf dem heißen Stein. Auch 1952 lebten noch eine große Anzahl von Wohnungssuchenden in den hygienisch unzumutbaren Baracken. Zudem mussten viele Beschäftigte wegen fehlender Verkehrsmittel täglich kilometerlange Strecken zum Arbeitsplatz zu Fuß zurücklegen – bei Wind und Wetter. Für die Trostberger Genossen ein Ansporn, ihre Anstrengungen zu verstärken. Weitere fünf Bauprojekte mit zusammen 130 Wohnungen für 1,7 Mio. DM befanden sich 1951 schon in der Planung. Darüber hinaus wurden 250 „gesunde, sonnige und menschenwürdige Wohnungen“ ins Auge gefasst.
Entsprechend der rasanten Bautätigkeit stieg die Zahl der Mitglieder an. Zählte die Genossenschaft Anfang 1951 erst 55 Mitglieder, waren es Ende Mai 1952 bereits 246 Genossen. Auch die Darlehen schnellten in die Höhe. Die Fremdmittel beliefen sich 1951 auf 257.000 DM.
Es folgten weitere Jahre des stürmischen Aufbaus, der nicht nur den Wohnungssuchenden nutzte, sondern ebenso der regionalen Bauwirtschaft. 1954 zum Beispiel erhielten durch die Aufträge der Neuen Heimat weit mehr als eintausend Mitarbeiter in zirka 200 Firmen Lohn und Brot. Zu diesem Zeitpunkt war die Trostberger Genossenschaft schon in 15 Gemeinden und Städten aktiv: Die Liste der Landkreise reichte von Traunstein, Altötting über Berchtesgaden und Laufen bis Eggenfelden und Rosenheim.
Errichtet wurden die Wohnungen vornehmlich für Industriearbeiter, darunter für Beschäftigte der Süddeutschen Kalkstickstoffwerken mit ihren Niederlassungen in Hart und Schalchen, die Siemens-Schuckert-Werke AG in Traunreut, der Wacker Chemiewerke in Burghausen und Linde´s Eismaschinen in Schalchen-Tacherting. Sie unterstützen – neben der öffentlichen Hand – die Genossenschaft beim Bau von Sozialwohnungen für Ihre Werksangehörigen.
DUNKLE WOLKEN ZIEHEN HERAN
Die Lösung nach fünfjähriger Bautätigkeit hieß „vorwärts und aufwärts“. Allein das Bauprogramm für 1954 sah staatlich geförderte Baumaßnahmen mit 245 Wohneinheiten vor. Zusätzlich sollten 113 freifinanzierte Wohnungen entstehen. Allerdings: Erst zum 5-jährigen Bestehen konstatierter der Verband bayerischer Wohnungsunternehmen und der gesetzliche Prüfungsverband der Genossenschaft „nunmehr eine insgesamt geordnete“ Vermögenslage, wenn – so die Einschränkung – „noch ausstehende Abrechnungen der errichteten Bauten die veranschlagten Kosten nicht überschreiten sowie Eigenleistungen der Vertragspartner für Kaufobjekte berücksichtigt werden.“ Das Unternehmen erfuhr im Geschäftsjahr 1953 eine „wesentliche Stabilisierung“, heißt es im Prüfungsbericht. Wegen der enormen Bautätigkeit musste die Genossenschaft immer wieder teure Zwischenkredite in Anspruch nehmen. Grund: Es mangelte an Eigenkapital. Die Wohnungshäuser wurden fast gänzlich mit Fremdmitteln finanziert. Ein seinerzeit kaum lösbares Problem. Der einzige Ausweg wäre ein Drosseln der Bautätigkeit gewesen. Damit aber wäre die Wohnungsnot viel langsamer abgebaut worden.
1954 belief sich die Bilanzsumme schon auf 10,8 Mio. DM. Allein in diesem Jahr hatte die Genossenschaft 64 Mietwohnungsgebäude mit 358 Wohnungseinheiten errichtet, 29 Häuser mit 222 Wohnungen befanden sich im Bau. Darüber hinaus zogen die Genossen 61 Erwerbshäuser mit 133 Wohneinheiten und 31 so genannte Kleinsiedlungen hoch. Im Erstellungsstadium befanden sich weitere 40 Erwerbshäuser und Kleinsiedlungen.
Es sollte munter so weiter gehen 1955 wurden schon 580 neue Mietwohnungen und 227 Wohneinheiten in Erwerbshäuser gebaut. Doch gestiegene Kosten und noch nicht abgerechnete Wohnungsbauobjekte brachten die Genossenschaft in Bedrängnis: Die Neue Heimat Südbayerische Wohnstätten eGmbH, wie sich das Unternehmen seit 1955 nannte, wurde unversehens zum Sanierungsfall. Dabei hatte die Treuhandstelle für Wohnungsunternehmen in Bayern der Neuen Heimat im März 1955 zwar eine angespannte finanzielle Situation attestiert, aber mit gewissen Einschränkungen eine ausreichende Liquidität festgestellt.
Hauptverantwortlich für die Schieflage waren die Kostenüberschreitungen bei einzelnen Wohnungsobjekten, wie zum Beispiel bei dem 1954 freifinanzierten Hochhaus, Kostenüberschreitungen bei der Bewirtschaftung der Mietshäuser sowie ein großer Überhang nicht verkaufter Erwerbshäuser. Unter dem Strich errechnete sich ein Eigenkapitalfehlbetrag von rund 600.000 DM, der sich im nachhinein erhöhte.
Es ist aus heutiger Sicht müßig, die zahlreichen Gründe der Krise zu erörtern und nachzuzeichnen. Dass das Unternehmen noch heute am Leben ist uns sein 50-jähriges Bestehen feiert, ist ein Hinweis genug, dass die nachfolgende Sanierung Erfolg hatte. Allerdings hatte die Restrukturierung der Neuen Heimat unter maßgeblicher Führung der Treuhandstelle erhebliche Konsequenzen für die Unternehmensentwicklung.
Die Mitglieder standen zu Ihrer Genossenschaft und nahmen den Vorschlag mit breiter Mehrheit an, ihren Mindestgeschäftsanteil von bislang 300 DM auf 400 DM aufzustocken. Helfen sollte auch eine von den Genossen akzeptierte stärkere Mietanhebung. Die von Anfang an zu niedrig berechnete Miete sei „eine Wurzel des Übels“ gewesen, so stellte der Vertreter der Treuhandstelle damals fest.
Der so hoch anerkennenswerte soziale Aspekt, der schließlich die inhaltliche Basis für die Gründung der Wohnungsgenossenschaft gewesen war, nämlich preiswerteren Wohnraum zu erstellen, erwies sich im nachhinein als ein Fallstrick.
Ein „Pfund“ hatte die Treuhandstelle noch in der Hand: Die Übertragung von 133 Eigenheimen und Erwerbshäusern auf die Vertragspartner. Mit einem Geschäftsführer an der Spitze – Hinrich Garrels – ließ der Druck 1957 auf die gemeinnützige Genossenschaft nach; die Sanierungsmaßnahmen begannen zu greifen. Unter anderem konnte durch den vollständigen Verkauf der Erwerbshäuser die finanzielle Last erheblich gemindert werden. 1958 wurde im laufenden operativen Geschäft schon wieder ein Gewinn erwirtschaftet. Bei all den Schwierigkeiten standen die meisten Genossen ihrem Unternehmen treu zur Seite: Die Mitgliederzahl verminderte sich von 942 in 1957 auf 873 zwei Jahre später.
Seit dem Beginn der Rekonstruktion beschränkte sich die Geschäftstätigkeit neben der laufenden Hausbewirtschaftung vornehmlich auf die Abwicklung schwebender Baumaßnahmen und auf den Verkauf der Erwerbsobjekte. Der Mietwohnungsbestand hatte sich bis Ende 1959 trotz der Privatisierung nur leicht verändert: Die Zahl der Wohneinheiten reduzierte sich von 763 auf 729 Wohnungen mit einer Nutzfläche von fast 39.000 m².
Daneben gehörten zum Bestand der Neuen Heimat Trostberg unter anderem 53 Garagen, 11 Läden und 3 Wäschereien. 11 von 131 Häusern wurden bis 1959 abgegeben und auch alle restlichen Eigenheime verkauft. Lediglich 21 zu privatisierende Kleinsiedlungen mit 41 Wohnungen befanden sich Ende der 50er Jahre im Bestand.
Auch 1960 wurden als weitere Sanierungsbeitrag 8 Mietobjekte mit 32 Wohnungen im Kurort Ruhpolding veräußert und 1962 einige Wohnungen in Oberschroffen sowie das Postgebäude am Rathausplatz in Traunreut. Allen diese Aktion brachte 270.000 DM in die Kasse. Das bilanzierte Eigenkapital lag mit 2,5 % dennoch weit unter dem notwendigen
Maß.
INSTANDHALTUNG UND MODERNISIERUNG
Anfang der 60er war die Neue Heimat in Trostberg mit ihren 841 Genossen noch nicht ganz über den Berg, wenngleich die dunklen Schatten Begannen, vorüber zu ziehen. Höchste Priorität hatte bin in die 80er Jahre hinein das Ziel, das finanzielle Fundament zu verbreitern. Dazu gehörte eine effizientere Bewirtschaftung des Hausbesitzes. 1961 gelang es beider Hausbewirtschaftung erstmals, ein ausgeglichenes Ergebnis zu erzielen. 1964 schließlich konnten die ersten Überschüsse erwirtschaftet werden. Spielräume für notwendige Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten begannen sich zu eröffnen.
Inzwischen hatte sich in Deutschland die Vollbeschäftigung eingestellt. Die ersten Gastarbeiter überschritten die Grenzen. Mit dem gestiegenem Einkommen wuchsen auch die Ansprüche an den Wohnungskomfort, denen die Wohnungsbauunternehmer zunehmen nachkommen mussten – auch die Neue Heimat. Schon sehr weitsichtig hatten die Männer die frühen Jahre in den Wohnungen bereits Räume für Bäder vorgesehen, die aber zu Gunsten einer günstigen Miete vorerst nicht mit Wanne oder Dusche ausgestattet worden waren. Eine Aufgabe, die in den kommenden Jahrzehnten die Genossenschaft noch stark beschäftigten wird. Auch der Garagenbau rückte als Folge des ständig steigenden Wohlstands immer mehr in den Vordergrund. Der Bestand kletterte bis 1970 auf 88 Einheiten.
Die Instandhaltungskosten beliefen sich zwischen 1959 und 1964 auf über eine halbe Millionen DM. Kein Kleckerkram gerade vor dem Hintergrund der schwierigen Lage der Genossenschaft: „Ohne Zweifel haben die umfangreichen Instandhaltungsfälle verhindert, dass ein rascherer Abbau des noch bestehenden Liquiditätsfehlbetrages eingetreten ist“, urteilte die Treuhandstelle. Die Nachholarbeiten in der Instandhaltung konnten bis etwa Mitte der 60er Jahre weitestgehend bewältigt werden. Erfreulich auch, dass sich die Kapitalanteile der Genossen auf rund 1000 erhöhten, obwohl die Zahl der Mietglieder weiter zurückging. Ende 1967 standen 748 Genossen in den Mitgliederlisten.
Als vorrangiges Ziel sahen Vorstand und Aufsichtsrat die Stärkung der Rücklagen an. Anfang der 70er Jahre konnten alle Beteiligten nach über 10 Jahren harter Einschnitte aufatmen: „Die wirtschaftliche Lage der Genossenschaft kann nun mit gutem Gewissen als gesund und geordnet bezeichnet werden“, heißt es im Geschäftsbericht des Jahres 1970. Der Wohnungsbestand blieb mit etwas über 100 Häusern und 700 Wohnungen dabei weitgehend konstant. Neben den Wohnungen hält die Neue Heimat bis heute 12 Gewerbeeinheiten in ihrem Bestand. In der Folgezeit reduzierte sich die Zahl der Wohnungen leicht, weil kleine Wohneinheiten nach Möglichkeit zusammengelegt worden sind. Der Bedarf an Kleinwohnungen war in der Vergangenheit drastisch zurückgegangen.
Für die Erhaltung der Baussubstanz waren Ende der 60er Jahre Handwerksbetriebe nur mit großer Mühe zu bekommen und auch der Arbeitsmarkt war leer gefegt. Die Handwerker, die bereit gewesen wären, in den eigenen Bautrupp der Neuen Heimat zu wechseln, wären „nur unter völliger Missachtung der Lohn- und Tarifvorschriften“ dazu bereit gewesen. Dabei hatte das Nachkriegs-Deutschland 1967 erstmals eine Wirtschaftskrise registrieren müssen. Angesichts der Lage beschränkte sich die Genossenschaft deshalb auf ihren einzigen Maurer, den Maler und die 3 Aushilfskräfte.
Zahlreiche Arbeiten standen auf dem Plan, so etwa 48 vom Einsturz bedrohte Kamine, das Anbringen von Wettermänteln an den Fassaden oder das Streichen von Fenstern. Beseitigt werden mussten außerdem die Schäden, die der strenge und stürmische Winter 1969/70 hinterließ. Der zunehmende Ausstattungsgrad mit elektrischen Geräten in den Haushalten machte die Verstärkung der Stromleitungen in den rund 100 Häusern erforderlich. Allein die Neuverkabelung der 122 Wohneinheiten in der Trostberger Friedrich-Ebert-Straße kostete 32.000 DM.
In Marquartstein mussten zudem Häuser an das öffentliche Kanalnetz angeschlossen werden. Ob die Installation von Gemeinschaftsantennen, der Einbau von Bädern und Heizungsanlagen oder auch nur die Ausstattung der Küchen mit „Nirosta“-Spülen, alle Investitionen mussten vom Vorstand erörtert, budgetiert und genehmigt werden.
GEMEINNÜTZIG
Auch ohne Staatliche Anerkennung
Auch in den 70er bis 90er Jahren bleib die Neue Heimat dem Prinzip treu, sich auf die Erhaltung und Verbesserung der Wohnungen zu konzentrieren. Auf riskante Projekte wollte sich die Geschäftsleitung nicht einlassen. Die Kontinuität sollte künftig das Tagesgeschäft beherrschen. Hintergrund dieser Geschäftspolitik war vor allem der gesättigte Wohnungsmarkt. Der soziale Wohnungsbau war zum Erliegen gekommen. Unternehmenspleiten im freifinanzierten Wohnungsbau stellten keine Sicherheit mehr dar, denn oft konnten die teuer errichteten Objekte nicht mehr verkauft oder vermietet werden. Lediglich 1970 entschloss sich die Neue Heimat, ein 0,15 ha großes Grundstück im Traunreuter Henselweg für knapp 30.000 DM zu erwerben und 3 Jahre später zu bebauen. Es entstand für 1,2 Mio. DM ein moderner Wohnblock mit 16 Wohneinheiten.
Die Hausbewirtschaftung blieb aber weiterhin die Hauptaufgabe des Unternehmens. 1981 beispielsweise erzielte die Genossenschaft damit ein Umsatzvolumen von über 1,6 Mio. DM, 10 Jahre später waren es bereits 2,4 Mio. DM und zum Jubiläumsjahr 3,2 Mio. DM. Abzüglich der Aufwendungen – darunter 160.000 DM für Instandhaltung und Modernisierungen- bleiben 1981 unterm dem Strich fast 25.000 DM übrig.
Das Anlagevermögen, also der nominale Buchwert der Grundstücke und Wohnungen, belief sich zu diesem Zeitpunkt auf 9 Mio. DM und das Eigenkapital auf rund 10 % vom Gesamtkapital. 2 Jahre später konnte das Unternehmen erstmals weitere Rücklagen als Festgeld bilanzieren. 1983 erfolgte der Beschluss, grundsätzlich keine Neuverschuldung mehr, wie etwa beim Bauprojekt Henselweg, zu akzeptieren. Jetzt besaß die Genossenschaft die ersten Häuser gänzlich ohne Belastung: Die Annuität waren vollständig zurückgezahlt worden, was noch mehr Möglichkeiten bei der Substanzerhaltung und Modernisierung bot.
Die wirtschaftliche Situation der Wohnungsgenossenschaft verbesserte sich kontinuierlich, doch der Mietgliederbestand ging zurück. 1985 sank die Zahl der Mitglieder mit 543 Genossen auf den Tiefstand. Doch dann setzte die Wende ein, der Vorstand registrierte wieder einen Mitgliederzuwachs – ein Indiz dafür, dass der Bedarf an Wohnraum nach Jahren des Rückgangs und der Stagnation wieder anzog.
“Business as usual“, also weitermachen wie bisher, hieß es in Trostberg auch, als Spätaussiedler osteuropäischer Länder Ende der 80er Jahre den Wohnungsbedarf in die Höhe trieben. Die Wiedervereinigung führte zu erheblichen Bevölkerungswanderungen. Eine weitsichtige Entscheidung, denn der überhitzte Wohnungsmarkt Anfang der 90er Jahre versprach keine dauerhafte Entwicklung. Zudem erschienen die Zuschüsse der Öffentlichen Hand als nicht ausreichend, um Wohnungen wirtschaftlich zu errichten und zu betreiben. Und in der Tat: Schon ein paar Jahre später hatte sich der Wohnungsmarkt wieder beruhigt. Die alten Probleme waren wieder die neuen.
Die Neue Heimat entschied sich hingegen 1996 für den Neubau eines 8-Familienahauses in Trostberg, um eine Baulücke zu schließen: Stolz ist der Vorstand auf die Finanzierung. Das 1,85 Mio. DM teure Objekt konnte ohne eine Mark Fremdkapital errichtet werden. So wurde ein Highlight besonderer Art verwirklicht: Die Erdgeschosswohnungen sind ohne störende Treppen für Schwerbehinderte. Damit stellte die Neue Heimat ihr jahrzehntelanges soziales Engagement erneut unter Beweis. Zugleich war es Absicht, die örtliche Wirtschaft zu stärken: Vergeben wurden die Bauarbeiten vorzugsweise an lokale und regionale Unternehmen. Hierdurch wurde der Genossenschaft viel Anerkennung zuteil. Ob die Neue Heimat in Zukunft weitere Objekte dieser Art verwirklichen wir, steht noch nicht fest. Sicher ist, dass das Unternehmen im Jubiläumsjahr und den nachfolgenden Jahren die Modernisierung der Häuser vorantreiben wird. Schon in der Vergangenheit hatte man hierfür jährlich rund 1,3 Mio. DM vorgesehen. Auf dem Programm stehen die Erneuerung aller Fenster, umfangreiche Wärmedämmungsmaßnahmen sowie der Einbau von modernen Bädern. Bei alledem vergessen Vorstand und Aufsichtsrat nicht die soziale Komponente. Obwohl das Gesetz der Gemeinnützigkeit 1990 abgeschafft worden ist, sehen sich die Verantwortlichen diesem Prinzip weiter und uneingeschränkt verpflichtet. Deshalb werden bei der Neuen Heimat Südbayerische Wohnstätten e.G. die Mieten auch künftig deutlich unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Denn nach einhelliger Auffassung haben einkommensschwache Bevölkerungskreise ebenfalls Anspruch auf eine zeitgemäße moderne Wohnung.